Titelbild: Copyright RH Köln
Als Jurist hat man nicht nur alle Hände voll zu tun mit Akten, Mandanten, neuen Erfindungen und Patentstrategien – wenn man es denn so macht wie unser Kollege Daniel, dann schiebt man einmal die Woche auch noch eine dreistündige Lehrtätigkeit an der Rheinischen Hochschule dazwischen und gibt sein Wissen an die nächste Generation weiter. Und genau so einen Tag hat Daniel zwischen Kanzlei und Seminarräumen für uns protokolliert:
Mein Tag beginnt mit einem starken Kaffee und einem schnellen Blick auf die Agenda. Die Vorlesung für das Modul „Patentrecht und Patentstrategie“ ist vorbereitet, aber vorher konsultiere ich nochmal die Notizen. Die heutige Einheit dreht sich um das Thema Design und die Herausforderungen in der Praxis, wenn dieses mit Rechten Dritter kollidiert. Ein wichtiges Thema aus der eigenen Studienzeit, in der viele solcher praktischen Zusammenhänge oft auf der Strecke geblieben sind. Das soll bei meinen Studenten anders werden.
Die Verbindung zur Rheinischen Hochschule ist eine Art Heimkehr – von 2005 bis 2008 habe ich hier selbst studiert. Auch wenn ich in den letzten 12 Jahren immer wieder Gastvorträge als Praktiker gehalten habe, fühlt es sich besonders an, nun als Lehrbeauftragter hier zu sein. 2023 kam die Anfrage, das Modul Patentrecht und Patentstrategie zu übernehmen, und ich wusste sofort, dass ich die Chance nutzen wollte, praxisnahes Wissen zu vermitteln. In meinem Dezemberurlaub in Thailand habe ich intensiv überlegt, wie ich den Lehrstoff aufbereiten könnte, um den Studierenden einen umfassenden Einblick zu geben und vor allem praxisrelevantes Wissen zu vermitteln. Mit Zustimmung des Studiengangsleiters habe ich das Modulsheet umfangreich überarbeitet, und das Konzept kam gut an.
Es hat sich bewährt, zu Beginn der Stunde die Highlights der vergangenen Woche in Frageform zu repetieren. Das ist ein weicher Einstieg am Morgen und leitet in das nächste Thema über. Darüber hinaus wird auch immer wieder abgeklopft, welche Fragen oder Vorstellungen die Studierenden haben. Dann kann es losgehen.
Am heutigen Tag wirkt die kleine Gruppe von Studierenden neugierig, aber auch ein wenig zurückhaltend. Jura ist nicht jedermanns Lieblingsthema – das merkt man an manchen Tagen besonders deutlich. Auch die frühe Uhrzeit ist alles andere als förderlich. Der Dialog mit den Studierenden bereitet mir jedoch große Freude, und die kleine Gruppengröße an der Rheinischen Hochschule ermöglicht das perfekt. Bei Fragen und Diskussionen entsteht fast immer eine Dynamik, die klassische Frontalvorlesungen oft vermissen lassen. Durch diese Dynamik lassen sich die Studierenden auch trotz der frühen Stunde meist „mitreißen“.
Das neue Thema beginne ich mit einem Praxisfall. Ein Unternehmen hat ein Produkt auf den Markt gebracht, das große Ähnlichkeit mit einem bereits existierenden Design aufweist, so dass das Unternehmen abgemahnt wurde. „Wie würdet ihr hier vorgehen?“, frage ich in die Runde und bin gespannt auf die Antworten. Einige der Studierenden haben interessante Ideen, die wir gemeinsam weiterentwickeln. Das Ziel ist es, ihnen nicht nur rechtliches Wissen zu vermitteln, sondern auch das Gefühl für reale Herausforderungen im Bereich des geistigen Eigentums. Im gesamten Modulverlauf gehen wir die Punkte Patent- sowie Designrecht, Abmahnungen, Verträge und korrekte Recherchearbeit an.
Nach einer kurzen Pause stelle ich den Studierenden eine Übung zur Designrecherche. Das Modul wurde von mir geändert und erweitert, um Recherchen, echte (anonymisierte) Abmahnungen, Designrecht, Berechnung der Vergütung im Arbeitnehmerrecht und derlei theoretische Inhalte ins Praktische zu bringen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Theorie ohne Übung schnell abstrakt und trocken wirken kann. Deshalb lege ich großen Wert darauf, dass die Studierenden selbst aktiv werden. In Kleingruppen recherchieren sie nach bestehenden Designs anhand vorgegebener Praxisbeispiele. Manchmal entstehen gar Wechselwirkungen zwischen Theorie und Praxis, wenn in der Kanzlei ein ähnlicher Fall auf mich wartet, oder wenn man von einem interessanten Fall im Kontext von Abmahnungen und Nachahmungsfreiheit berichten darf. Im anschließenden Feedback stellen wir fest, wie wichtig eine gründliche Recherche ist, um Konflikte möglichst von vornherein zu vermeiden. Auch die Stolpersteine im Rechercheprozess, wie z. B. unklare Formulierungen der Recherchefrage oder zu „eng“ vorgenommene Filterungen sind Thema.
Eine weitere Kaffeepause später geht es weiter mit einem eher vernachlässigten, aber enorm praxisrelevanten Thema: dem Arbeitnehmererfinderrecht. Es ist oft eine Überraschung für Studierende, dass der Arbeitnehmer nicht alle Rechte an seinen Erfindungen innehat und dass hier gesetzliche Vorgaben eine Rolle spielen, die schon aus Compliance-Gründen von jedem Arbeitgeber zu beachten sind. Mit Fallbeispielen versuche ich die Thematik lebendig und anschaulich zu gestalten. Ein Beispiel ist ein Erfinder, der in seinem Arbeitsverhältnis eine wertvolle Erfindung entwickelt hat, seine diesbezüglichen Anfragen aber vom Arbeitgeber ignoriert werden und nun wissen möchte, welche Rechte ihm zustehen.
Zum Abschluss der heutigen Vorlesung gibt es eine offene Runde, in der die Studierenden Fragen stellen und wir über ihre Eindrücke sprechen. Gerade Nicht-Juristen fühlen sich oft etwas eingeschüchtert, wenn es um juristische Themen geht, deshalb versuche ich, den praktischen Nutzen in den Vordergrund zu stellen. Wir diskutieren, warum und wie sich Unternehmen gegen Verletzungen ihres geistigen Eigentums wappnen und wie solche Konflikte im besten Fall beigelegt werden können.
Zwischen Hochschule und Kanzlei habe ich ein wenig Zeit, über das Besprochene nachzusinnen und mich auf die anstehende Arbeit im „echten Leben“ einzustellen. Bis zum nächsten Dienstag sieht mich die Hochschule erstmal nicht wieder.
Zurück im Büro checke ich die E-Mails. Rechtliche Fragen und dringende Anliegen unserer Mandanten können oft nicht warten. Ein Mandant aus der Automobilbranche hat Fragen zu einer anstehenden Produktneuentwicklung, und ich bespreche mit ihm die strategischen Möglichkeiten, um sowohl die Instrumentarien des Patent- als auch Designrechts optimal zu nutzen. Ab hier ist meine Rolle als Dozent wieder abgelegt und der Wirtschaftsjurist nimmt sich die nächsten Stunden aller anstehenden Aufgaben an, genau wie an jedem anderen Tag der Woche.
Auf dem Heimweg reflektiere ich den Tag. Es ist spannend und herausfordernd zugleich, Studierende für ein Fach zu begeistern, das oft als trocken wahrgenommen wird. Doch das persönliche Feedback zeigt mir immer wieder, dass das praxisorientierte Format ankommt und geschätzt wird.
Dieser Spagat zwischen Kanzlei und Hochschule ist nicht immer einfach, aber die Möglichkeit, mein Wissen weiterzugeben und junge Menschen auf ihre beruflichen Herausforderungen vorzubereiten, macht diesen Einsatz mehr als lohnend.